Das Gezerre um die Finanzierung von Projekten wie der Neuen Donaubrücke, der Zweiten Schienenachse oder das gegenseitige Abwerben von Firmenstandorten zeigen, dass Gemeinde- und Bezirksgrenzen im Zentralraum überholt sind. Viele Herausforderungen sind heute alleine nicht mehr zu bewerkstelligen. Die Idee einer „Regionalen Metropole“ (REGIOPOLE) von Linz über Enns bis hin nach Wels, die große Entscheidungen gemeinsam trifft und bewerkstelligt, wäre ein spannender Ansatz. In Deutschland gibt es dazu bereits Vorreiter-Projekte.
Jede Kommune kocht ihr eigenes Süppchen und plant nur bis zur jeweiligen Gemeinde- oder Bezirksgrenze. Das Spiel geht noch weiter: Man konkurriert untereinander um Firmenansiedlungen, Bauprojekte oder die besten Köpfe, statt gemeinsame Sache zu machen und so miteinander zu profitieren. „Das ist kurzsichtig“, sagt Stadtentwickler Lorenz Potocnik. Zusätzlich steht man auch in budgetärer Konkurrenz zueinander.
Der oberösterreichische Zentralraum ist aber viel zu kleinstrukturiert, um gegeneinander anzutreten: „Die Konkurrenten für Linz, Wels oder Enns sind nicht jeweils die anderen – sondern Salzburg, Graz, Wien, Süddeutschland, Böhmen und andere wirtschaftlich starke Regionen in Europa.“ Durch die Kleinstrukturiertheit fehle es an Lösungskompetenz. Potocnik: „Es stockt überall, wo die Zuständigkeiten nicht klipp und klar sind. Egal ob das die zweite Schienenachse ist, die Sicherung des Grünraums, die Schnellbahnlinien, Park&Ride oder Radschnellwege: Wir schaffen es irgendwie nicht. Diese Projekte stecken zum Teil seit Jahrzehnten fest.“
„Regionale Metropolen“ (REGIOPOLE) von Linz über Enns bis hin nach Wels.
Seit der letzten großen Linzer Eingemeindungswelle zur Hitlerzeit sind acht Jahrzehnte vergangen. Und immer noch ist es ein großes Tabu, darüber zu reden – dabei würde genau das Sinn machen, um eine kritische Größe zu überwinden und Neues anzudenken. Den letzten ernsthaften Versuch einer Gebietsreform gab‘s 1976. Die Arbeiterkammer schlug damals vor, aus 444 Gemeinden 93 zu machen. Wirklich weitergedacht wurde die visionäre Idee aber nicht.
Seitdem wird die Diskussion praktisch verweigert, obwohl sich alle Experten einig sind, dass Gemeinden unter 10.000 Bewohnern nur unzureichend in der Lage sind, alle Gemeindeaufgaben professionell abwickeln zu können. Potocnik: „Es braucht auch gar keine Eingemeindung im klassischen Sinn – andere Regionen wie die Regiopolregion Rostock zeigen‘s vor.“ Der Begriff „REGIOPOLE“ steht für die Zusammenführung von „regio“ und „polis“ – von Region und Stadt. Damit werden zwei Konzepte vereint, die sich ergänzen. Regiopole sind kleinere Städte im Umfeld einer Kernstadt, die sich in eher ländlich geprägten Räumen befinden. Diese Region ist frei von politischen, geografischen und administrativen Grenzen und charakterisiert sich durch die Verzahnung und gegenseitige Kooperation. Potocnik: „Für die zukünftigen sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen müssen neue Lösungen her. Die Antwort liegt in der gleichberechtigten Zusammenarbeit von Stadt und Region.“
Mehr lesen zum Thema Regiopole: https://a3bau.at/regiopole-linz
Facebook-Post Potocnik vom 6. Februar 2020:
Budgetrede zur Regiopole Linz 12. Dezember 2019 zum Nachsehen:
Antrag "Regiopole Linz entwickeln" von der 41. Gemeinderatssitzung am 5.3.2020
Gesamte Budgetrede zur Regiopole vom 12. Dezember 2019:
Warum tun wir uns als Stadt Linz und als oberösterreichischer Ballungsraum eigentlich so schwer, die wichtigen Projekte auf Schiene zu bringen?
Dazu hat Potocnik eine Erklärung und eine Idee bei der Budget-Gemeinderatssitzung im Dez 2019 zur Debatte gestellt. Da am Ende ein paar Minuten abgegangen sind, haben wir es auch niedergeschrieben. Wir freuen uns über euer Feedback!
"Ich spreche in diesem Kapitel Verwaltung schon traditionsgemäß über Gestaltung und Stadtentwicklung, unter anderem, weil es dafür kein besser geeignetes Kapitel gibt. Wir haben die letzten Stunden viel über Geld gesprochen, auch über die Schuldfragen, warum die Stadt Linz in dieser miserablen finanziellen Situation und schwierigen Lage ist. Ich weiß nicht wie es Ihnen geht, beim Zuhören, aber mir geht es so, dass ich eigentlich jedem immer zum Teil folgen kann. Ich finde das der Bernhard Baier Recht hat, ich finde auch, dass der Bürgermeister Recht hat. Ich finde dass der Felix Eypeltauer Recht hat (da bin ich natürlich komplett neutral). Und insgesamt ist es wie bei einem Boxkampf, da werden Punkte vergeben, besonders viele Punkte hat Felix Eypeltauer eingeheimst, der fast schon wie Muhammed Ali im Ring geschwebt ist und immer wieder Schläge ausgeteilt hat, aber - und auf das will ich hinaus – einen wirklichen Gewinner gibt es nicht bei der Geschichte.
Es ist “lustig” zum Zuschauen, es ist unterhaltsam zum Zuhören, aber einen wirklichen Gewinner gibt es nicht, im Gegenteil. Wir sind alle Verlierer.
Der springende Punkt ist ja der, dass wir unsere Spielräume verloren haben. In dieser Misere der schlechten Finanzlage haben wir unsere Handlungsfähigkeit verloren, die wir aber eigentlich dringend bräuchten, als Stadt und Umland. Das heißt wir können die Herausforderungen die anstehen – und diese sind gewaltig – das wissen wir, durch den Wandel und in der Region, können wir nicht mehr bewerkstelligen. Und da habe ich eine Idee, mit der ich in Wirklichkeit schon seit Jahren schwanger gehe, mit einigen von Ihnen habe ich darüber schon geredet, die ich heute, bei dieser Gelegenheit hier öffentlich teilen will. Ich glaube, dass uns diese Idee helfen kann, hier vorwärts zu kommen und eben nicht in diesem Hickhack, das ja zum Teil witzig, aber eigentlich ein Schauspiel ist, das uns nicht weiterbringt und in dem wir stecken bleiben.
Ich glaube nämlich, das derzeit die Region (und um die geht es mir), also ich spreche nicht nur von Stadt und Umland sondern vom gesamten Ballungsraum mit den Umlandgemeinden und unserer Stadt derzeit dysfunktional ist. Das ist an sehr vielen Projekten erkennbar, die neue Donaubrücke ist nur ein Beispiel davon. Diese sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, so eine Brücke. Aber in Wirklichkeit quälen wir uns mit dieser Brücke, diese Brücke zu realisieren war und ist wahnsinnig schwierig, und solche Beispiele gibt es ganz viele in Linz und in der Umgebung. Das alles, was ein bischen außerordentlich und komplizierter ist, wo die Zuständigkeiten nicht klipp und klar sind und gestaltet werden muss, ist ein Seiltanz und wir schaffen es eigentlich fast nicht. Also egal ob das die 2. Straßenbahnachse oder irgendwie eine neue Schienenachse ist, egal ob es die Sicherung des Grünraums, Schnellbahnlinien, Mühlkreisbahn, Regiotram, Park&Ride oder Radschnellwege sind, wir schaffen es irgendwie nicht. Diese Projekte stecken zum Teil seit Jahrzehnten fest.
Und ich glaube, dass es nicht daran scheitert, dass, ja, wir als Stadt es nicht schaffen oder das Land es nicht schafft, sondern ich glaube dass da eine gewisse Dysfunktionalität ist, die wir vielleicht aufheben können.
Ich glaube, dass das ganze systemisch-strukturell ist. Wir leben in einem Raum, der streckt sich, darüber müsste man noch sprechen und gemeinsam definieren, aber der beginnt irgendwo in Wels, vielleicht beginnt er sogar schon in Grieskirchen, streckt sich über Wels und Linz und endet bei Hagenberg oder Perg. Ich persönlich würde Steyr nicht dazunehmen, aber die Steyrer würden sich selbst wahrscheinlich darin sehen, aber irgendwie sind die schon vom Schuss weg. Und dieser Raum hat ein Problem, dass da dutzende Gemeinden sind, die z.T. Statutarstädte sind und da drüber das Land steht und alle diese Einheiten in Konkurrenz zueinander stehen. Und das ist das Problem.
Die stehen in Konkurrenz nicht nur in Fragen der “Identität” oder beispielsweise diversen Egos, sondern auch budgetär. Das heißt im Klartext, jeder hat sein eigenes Geldbörsel, und jeder versucht natürlich auf dieses eigene Geldbörsel zu schauen und das die Kassa stimmt. Und eigentlich sollten wir nicht in Konkurrenz stehen, wir sollten nicht um Betriebe und deren Ansiedlungen untereinander rittern, wir sollten nicht darum kämpfen wer mehr oder weniger bezahlt, sondern wir sollten eigentlich kooperieren. Weil die Konkurrenten für Linz oder Wels oder für Pasching oder Traun ist nicht jeweils der andere, sondern der Konkurrent ist in Wirklichkeit Salzburg, Graz, Wien, Bayern, Süddeutschland, Böhmen, Dänemark, Europa usw. Das scheint mir – aus meiner mittlerweile jahrelangen Beobachtung das Problem, das ursächliche, das hier in OÖ zu klein gedacht wird, dass da Gemeinden, Stadt und Land in Konkurrenz stehen, anstatt zu kooperieren.
Das heißt, dass wir aus den derzeitigen politischen Lagern und den administrativen Ebenen heraus es nicht ausreichend schaffen, unseren Raum zu gestalten oder die Aufgaben, die anstehen gemeinsam anzupacken oder zu finanzieren.
Nun stellt sich natürlich die Frage, was wir bräuchten? Was bräuchten wir – wenn die Analyse stimmt – um diesen Raum in die Zukunft zu gestalten, und uns dem globalen oder europäischen Markt an Wirtschaftsstandorten und Lebensorten zu stellen. Da gibt es mehrere Möglichkeiten: wir könnten natürlich großzügig eingemeinden, ich denke aber, dass wir darüber nicht weiter ernsthaft reden brauchen, das hat es gegeben, die Zeiten sind vorbei. Wir könnten einen New Deal einfordern, einen New Deal zwischen Umland und Gemeinden, diesem ganzen Sprawl, Stadt und Land, ich fürchte aber, da ist der Leidensdruck und der Wille schlicht und einfach nicht ausreichend. Wir könnten auch darauf hoffen, dass es herausragende Persönlichkeiten gibt, jetzt schon oder in den nächsten Jahren... derzeit – wenn ich ganz ehrlich bin – sehe ich die nicht. Wir haben diese Brückenbauer nicht, diese Korefs und Gleissners (der Nachkriegszeit) haben wir derzeit nicht und ich möchte mich auch nicht darauf verlassen, dass die irgendwann einmal kommen.
Die letzte Möglichkeit, und auf die will ich natürlich hinaus, sind neue Instrumente, neue Planungsinstrumente. Neue Instrumente, wie wir gemeinsam diesen Raum gestalten können. Und diese Instrumente, die gibt es bereits! Das ist nichts, was wir vollkommen neu erfinden müssen, auch das Problem gibt es nicht nur in Linz, sondern dieses Problem der Mittelstädte mit Umlandgemeinden und Land ist in Wirklichkeit in ganz Europa so, in Deutschland und Österreich – alle kleineren Städte haben dieses Problem. Wien hat die Ausnahme, dass es gleichzeitig Bundesland ist und daher ganz anders finanziell aus dem Vollen schöpfen kann. Aber defacto gibt es diese Probleme überall und in Deutschland, die Städte in Deutschland wie Rostock oder Nürnberg sind da schon um vieles weiter und tüfteln laufend an diesen Instrumenten. Eines davon ist die sogenannte IBA, internationale Bauaustellung, das klingt jetzt so, als ginge es nur ums Bauen, das ist aber nicht der Fall, da geht es um Regionalplanung. Ein anderes Instrument ist die “Regionale”, da geht es auch um die regionale Planung und längere, koordinierte Planungszeiträume.
Auch wurde vor rund 10 Jahren (2006) ein neuer Begriff in die Planungsszene gesetzt, die Regiopole, das ist ein Gemisch aus Region und Metropole, wir sind ja keine Metropole, sondern eine Mittelstadt, in Wirklichkeit sind wir mehrere Mittelstädte mit etwas dazwischen. Wir sind genau so eine Regiopole, auch dafür, für diese Begrifflichkeit und neues Selbstverständnis gibt es mittlwerweile eine Dutzend Beispiele in Deutschland. Ich denke, dass wir uns diese Instrumente zu eigen machen sollten.
Die positive Nachricht: wir sind schon längst so eine Regiopole. Es ist nicht so, dass das oktroyiert oder aufgesetzt wäre, sondern wir sind de facto schon so eine Region und eben eine Regiopole. Viele unter uns kennen das aus dem täglichen Leben, die Lebenswelten – ich kenne dutzende Menschen – die beispielsweise in Engerwitzdorf wohnen und in Wels in die Schule gehen oder arbeiten in Pichling, wohnen aber in Puchenau. Das heißt, die Lebensrealität von diesem Ballungsraum mit ca. 500.000 Einwohnern ist schon längst diese Regiopole. Administrative oder politische Grenzen existieren in dieser Realität gar nicht. Die Politik muss hier nachziehen.
Wir sollten uns dieses Selbstverständnis einer Regiopole aneignen und eine neue Ära der regionalen Kooperation starten. Die dafür geeigneten Planungsinstrumente gibt es und die sollten wir nutzen. Dabei ist es egal wie das Instrument heißt, es geht nur darum einen längeren, rund 10 jährigen Planungszeitraum ins Auge zu fassen und koordiniert zu agieren. Ein Welios, wo es das AEC schon längst gibt, wäre so nicht entstanden, das LASK-Stadion hätte von Anfang an eine professionelle, regionale Standortsuche und womöglich einen besseren als jetzt erfahren, Betriebsansiedlungen könnten strategisch für die Region erfolgen, die Siedlungspolitik und der Schutz der überregionalen Grünzüge würde gestärkt.
So entstünde vielleicht ein grünes Band, ein Park, kombiniert mit Radschnellwegen zwischen Wels und Linz bis Hagenberg. Die Region Helsinki hat eine eigene, für den Nutzer vollkommen einfach zu nutzende, übergreifende Mobilitäsapp die vom Zug über die Straßenbahn bis zum Taxi alles beinhaltet. Warum haben wir das nicht? Wir könnten den ganzen Standort und die Lebensqualität unserer Regiopole viel besser entwickeln.
Lasst uns etwas für unsere Region wirklich Neues wagen. Lasst uns Dinge tun, die die Welt oder Europa so noch nicht gesehen hat. Lassen sie uns mit der Vision und dem Selbstverständnis einer Regiopole und den existierenden Planungsinstrumenten einen Ausnahmezustand auf Zeit schaffen, Gelder zusammenlegen und endlich an einer in sich schlüssigen, räumlichen Entwicklung zwischen Linz, Wels und Hagenberg arbeiten. Am besten mit einem neuen, übergeordneten Regionsbudget.
Dass hätte zur Folge, dass wir selbstverständlich kooperieren und wie in einer guten Fußballmannschaft die Kräfte und Stärken jedes einzelnen stärken und bündeln. Nur so können wir echte Innovationskraft in der gesamten Region entwickeln und auch strukturell bedingte Grabenkämpfe und Finanzprobleme der Städte, der Gemeinden und des Landes beenden. Ein neues Zusammenrücken, eine neue Zusammenarbeit muss das Ziel sein, so wie das unsere Vorvorgänger nach dem zweiten Weltkrieg gemacht haben.
Ich denke, davon hängt schlicht und einfach der Erfolg (oder Misserfolg) unserer Region ab. Start sollte jetzt sofort, 2020 sein."
Mehr Infos:
Autorin: Linz+ | Linzplus
21.7.2021
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