Die letzte Sitzung des Gestaltungsbeirats Ende November hat bei unserem Fraktionsobmann Lorenz Potocnik das „Fass zum Überlaufen“ gebracht. Was da auf den Tisch kommt und wie da vorgegangen wird, ist ihm als Gemeinderat und Stadtentwickler unerträglich: Die Projekte stehen im diametralen Gegensatz zu den gesteckten Zielen der Stadt Linz, die Ergebnisse der Stadtstrategie scheinen nicht in die tägliche Arbeit einzufließen. So können wir nicht weitermachen!
Reuchlinstraße in der Nähe des Bulgari-Platzes.
Die letzte Sitzung des Gestaltungsbeirats (Ende November) zeigte wieder einmal deutlich, dass der Gestaltungsbeirat das falsche Gremium für die Beurteilung städtebaulicher Fragestellungen und Projekte ist: „Es ist immer wieder unverständlich, was da auf den Tisch kommt. Da kommen Projekte auf den Tisch, die den städtebaulichen Zielen von Linz diametral entgegenlaufen. Bei diesen Projekten werden sämtliche Grundlagen von klimagerechter Mobilität, von Klimaschutz, Bürgerinformation (von Bürgerbeteiligung kann man ja nicht einmal träumen), von Nutzungsvielfalt und ökologischer Bauweise völlig ignoriert. So können wir nicht weitermachen!“ ist Lorenz Potocnik, Stadtentwickler und LinzPLUS Gemeinderat erschüttert über die schlechte Qualität vieler Projekte, die im Gestaltungsbeirat zur Diskussion stehen. „Unsere stadtentwicklerischen Erkenntnisse und stadtklimatischen Anforderungen müssen endlich ganz selbstverständlich in unsere tägliche Arbeit und unsere Projekte integriert werden. Wir können nicht jedes Mal wieder bei null anfangen und bei jedem Projekt um ein paar Bäume, den Schutz des gewachsenen Bodens oder eine Reduktion der Abhängigkeit vom Auto kämpfen. Der Gestaltungsbeirat braucht robuste Leitlinien und viel solidere Vorarbeit durch die Abteilung Stadtentwicklung.“ Enttäuscht zeigt sich Potocnik auch darüber, dass es jetzt eine Stadtstrategie für Linz gibt, die vom Gemeinderat beschlossen wurden und klare Vorgaben hinsichtlich Ökologie und Partizipation von Bauvorhaben macht, aber diese Konzepte dem Gestaltungsbeirat nicht einmal vorliegen: „Die Linzer Stadtstrategie 2022 ist wieder ein Papiertiger des Bürgermeisters!“
Strengeres Vorgehen des Beirats nötig
„Ich erwarte mir in Zukunft ein strengeres und mutigeres Vorgehen des Gestaltungsbeirats. Auf den Beiräten lastet eine enorme Verantwortung, da sie oft das einzige externe Korrektiv sind, bevor ein Projekt (und damit oft Umwidmungen sowie Bebauungsplanänderungen) eine Baugenehmigung erhält. Und auch die Linzer Stadtplanung muss viel selbstbewusster und verantwortungsvoller agieren. Viele Projekte, wie zuletzt das des Dynatrace-Hochhauses haben im Gestaltungsbeirat nichts verloren!“ ist Potocnik überzeugt. „Hier wird der Beirat meines Erachtens missbraucht, um fehlende städtebauliche Grundlagen und einen falschen Standort zu legitimieren. Konkret beim Dynatrace-Projekt: Was soll der Gestaltungsbeirat hier beurteilen? Die Glasfassade? Das Parkhaus? Dort geht es doch um viel Grundsätzlicheres, nämlich darum, ob der Standort überhaupt für so ein Gebäude und so eine Dichte und Höhe geeignet ist. Und das ist er nicht. Zu diesem Schluss müsste aber schon vorab die interne Abteilung für Stadtentwicklung kommen!“ Warum wird mit so einem Projekt nicht die städtebauliche Kommission betraut? „Ich glaube, die städtebauliche Kommission wurde vom Bürgermeister schon eingemottet!“
Dynatrace-Standort nicht zukunftsfähig
Potocnik ist äußerst unzufrieden, fast verzweifelt wegen der unkoordinierten und intransparenten Verfahren in Linz. „Statt eines Gesamtkonzepts stolpern wir von einem Projekt zum nächsten. Die Erkenntnisse der Städtebaulichen Kommission und der Stadtstrategie fließen dabei offenbar nicht in die Arbeit ein. Projekte wie das Dynatrace-Hochhaus haben einen weithin sichtbaren Einfluss auf das Stadtbild und vor allem auch auf die Nachbarschaft. Projekt mit einer derartigen städtebaulichen Dimension, dürfen überhaupt erst nach einer städtebaulichen Überprüfung im Beirat landen. Dieser ist ja ausschließlich für stadtgestalterische Fragen zuständig. Der Beirat hat nicht das organisatorische Format, nicht die Zeit und nicht die fundierte Ortskenntnis, diese Projekte stadtplanerisch zu beurteilen.“ Aus diesem Grund appelliert Potocnik auch an die Mitglieder des Beirats: „Lassen Sie sich nicht dazu missbrauchen, Wunschprojekte der Politik zu legitimieren. Lehnen Sie deshalb eine derartige Beurteilung – so wie das bereits geschehen ist – einfach ab!“
Außerdem ist die Vorgehensweise rund um den Dynatrace-Entwurf ein Beweis, dass das 10-Punkteprogramm für Hochhäuser ein vollkommen ungeeignetes Instrument ist: „Wer überprüft denn, ob die 10 geforderten Punkte inhaltlich befriedigend erfüllt oder nur abgearbeitet wurden? Dafür braucht es eine Qualifikation und ebene eine Unabhängigkeit, die ich in der Linzer Stadtplanung nicht erkenne!“
Geplantes Dynatrace Hochhaus + Lage.
Echtes Grün für die Reuchlinstrasse
Ähnlich verhält es sich mit dem eingereichten Projekt in der Reuchlinstraße in der Nähe des Bulgari-Platzes. Das Grundstück im Besitz der ÖBB wurde nach einer heißen politischen Diskussion im Jahr 2020 mit einem neuen Bebauungsplan belegt. „Anstatt dort, wie vorgesehen, möglichst viel Grünfläche zu erhalten, wird wieder einmal versucht das Maximum herauszupressen und wie eh und je geplant. Eine riesige Tiefgarage, die bis an die Grundstücksgrenzen reicht und das ganze Gelände zubetoniert, keine Erdkoffer und die Mär von der ausreichenden Aufschüttung für Bewuchs.“ ist Potocnik verärgert. „Wie oft wird diese Lüge noch verbreitet? Echte Bäume, die jahrzehntelang wachsen können und so eine entsprechende stadtklimatische Wirkung erzielen, haben auf einer Tiefgarage aber keine Chance. Dafür fehlt es an Nährboden, Wasser und Tiefe.“
Weil das Projekt im Vorfeld bereits heiß diskutiert wurde und das Viertel (siehe ÖEK 2013) über einen der geringsten Grünanteile in Linz verfügt, ist das umso wichtiger und ernst zu nehmen: „Gerade beim Projekt in der Reuchlinstrasse ist das wichtig, weil hier von der Politik versprochen wurde, für einen hohen Grünanteil zu sorgen. Damit können aber nur echte Bäume gemeint sein - Bäume, die auf gewachsenem Boden stehen und wachsen können. Und so auch kühlen können. Kein Pseudogrün, Buschwerk und Beruhigungspillen.
Luftbilder Reuchlinstraße
Autorin: Linz+
10.12.2021
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